Nach dem Krieg und vor dem Erkennen

Nach dem Schrecken des Zweiten Weltkrieges musste die Literatur ihren Platz wieder finden. Adorno machte es ihr dabei nicht leichter, als er sagte, nach Ausschwitz könnten keine Gedichte mehr geschrieben werden. Geradezu zaghaft entwickelte sich das, was wir heute Trümmerliteratur nennen und direkt mit dem Aufbau nach dem Krieg und den zerrütteten Verhältnissen in Verbindung steht. Etwas durchdachter war das die Nachkriegsliteratur, die den zweiten Weltkrieg zum Thema nimmt.

Nachkriegsliteratur
Kann es noch Belletristik nach dem Holocaust geben? (Foto: ellepacca / pixabay.de)

Andersch beispielsweise behandelte Lagergeschichten, Anna Seghers schrieb in Transit von der sich drehenden Suche nach einem Ausweg während des Krieges und Günter Grass schließlich schuf mit Die Blechtrommel quasi den Nachkriegsroman überhaupt. Eine Aufhebung gewisser Regeln, gerade was Direktheit und Details angeht eroberte die Leserschaft. Geliebt und gehasst waren dabei die ungezügelten Beschreibungen. Sie machten weder vor grausamen Taten, historischen Ereignissen, noch den sexuellen Eskapaden des kleinbürgerlichen Haushaltes Halt. Und noch immer verweisen viele Bücher auf den Nationalsozialismus und seine Folgen, behandeln gar den Krieg selbst. Sebald beispielsweise ließ seinen Austerlitz nach der im Krieg deportierten Mutter suchen, Suzak brachte seine Bücherdiebin im dritten Reich unter. Nicht zuletzt sind die vergleiche der tyrannischen und diktatorischen Tendenzen der antagonistischen Seite bei bedeutenden Fantasyreihen wie Harry Potter und Herr der Ringe, aber auch Star Wars immer wieder mit dem NS-Staat in Verbindung gebracht worden.

Und Heute?
In der Gegenwart angekommen ist keine klare Linie zu erkennen (Grafik: geralt / pixabay.de)

Doch schon hier wird es schwer einen geeigneten Begriff zu finden. Zwar haben viele Autoren über den Krieg und die Nachkriegszeit geschrieben, aber die großen Tendenzen sind schlicht noch nicht erkennbar. Vielleicht sind wir aber nicht nur von unseren eigenen Werken noch nicht weit genug entfernt, sondern ein ganz anderer Grund tritt zu Tage. Der, dass wir heute viel über die vergangenen Epochen wissen und lernen. Dadurch beeinflussen sie unser Schaffen immer wieder. Aus der Romantik kamen Einflüsse, die wir heute noch in fantastischer Literatur und dem Horror kennen. Das Lehrende in Sachbüchern aber auch manchen belletristischen Texten hat uns die Aufklärung vermacht.

Potpourri
Von allem etwas: ein buntes Potpurri (Foto: PublicDomainPictures / pixabay.de)

Es gibt immer wieder Bücher, die stark mit der Innensicht eines*r Protagonisten*in arbeiten oder im Gegenzug die Figuren eher nebenanstellen und eine Art Porträt der Gesellschaft zeichnen. Historische Romane, wie die neue Sachlichkeit sie hervorgebracht hat, sind beliebt. Manche Leser und/oder Autoren ordnen sich sogar selbst einer der bereits „vergangenen“ Epochen oder Tendenzen ein. Vielleicht versteht ihr bereits worauf ich hinaus will. Vielleicht sind wir heute an einem Punkt, an dem von allem so ein bisschen etwas mitmischt. Ein Potpourri der Strömungen. Freies Büffet am Literaturtisch. Vielleicht.

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3 Kommentare

  1. Ich finde das man in der Nachkriegsliteratur viele verschiedene Ansätze und Strömungen erkennen kann. Auch hingehend zu einer globalen Weltliteratur, die in den letzten Jahren aufgetaucht ist, die immer mehr an Bedeutung gewinnt und vor den Kriegen eher wenig ein Thema war.
    Auch die DDR Literatur war eine ganz eigene Geschichte. Und dann der Feminismus, der endlich konkrete Formen ab den 60ern angenommen hat.
    Auch gab es mit dem Jahrtausendwechsel wieder einen großen Bruch , dass kollektive globale Trauma von 9/11 und die Folgen, haben sich nicht nur in den Auswirkungen von Flucht und Terror- Angst auf uns ausgewirkt, sondern wirken auch in der Literatur, auch wenn wir das heute vielleicht noch nicht konkret bezeichnen und wahrnehmen können. In 50 Jahren wird man vielleicht einen Begriff dafür gefunden haben.
    Ich finde das total spannend! Es geht immer weiter, entwickelt sich…und wir sind mitten drin. 🙂

    Liebe Grüße, anja

    1. Da hast du vollkommen Recht, das macht es gerade für Studis aber nicht leichter „eine“ Linie zu erkennen – die gibt es so einfach nicht

  2. Ich persönlich bin kein Fan der Nachkriegsliteratur. Viele Bücher sind mir einfach zu „realistisch“ und ich lasse mich beim Lesen gerne in andere Sphären entführen. Danke für deinen tollen Beitrag und einen schönen Tag.
    Liebe Grüße
    Martina Suhr

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