Frankensteins Erben – Jens-Ulrich Davids

Auf die Ankündigung hin, einen Theaterroman lesen zu können, war ich sehr gespannt auf Jens-Ulrich Davids Frankensteins Erben. 366 Seiten hat der Roman, erschienen bei Endeavour im April 2016.

Peh ist Dozent an der Uni und hat die Aussicht auf eine eigene Professur. Dafür müsste sein neues Stück, das er mit Studenten inszeniert, aber auch besonders gut sein. Peh entscheidet sich für Frankenstein. Zusammen mit seinen Studenten analysiert er Mary Shellys modernen Prometheus, bekommt dabei Hilfe von der Autorin selbst. Daneben bahn sich eine Beziehung zwischen ihm und seiner Studentin Tamar an. Deren (Ex-)Freund will die Welt verbessern – notfalls auch mit Theater.

Der Theaterroman ist dann sehr ernüchternd ein Roman, der dramengleich in fünf Akte geteilt wird. Dann wird auf der Metaebene auch noch ein Theaterstück inszeniert. Das ist schon gut gemacht. Ein Stück im Stück. Noch dazu geht es immer mal wieder um Theatertheorie und die Schauspielerei des Alltags. Trotzdem hatte ich das Gefühl, der Autor will zu viel.

Ich war über die ersten zwei Akte sehr begeistert. Mit intellektuellem Gespür schafft der Autor aus der Not des Universitätsbetriebs den Auslöser der Handlung. Das Abdriften in etwas sehr wissenschaftliche und essayistische Überlegungen des Protagonisten – auch mal im Dialog mit dem besten Freund dargestellt – hat dem Theaterroman durchaus seine eigene Würze verliehen und eben zu einem nicht alltäglichen Roman gemacht.

Verwirrt, aber im ersten Moment auch neugierig wurde ich, als Mary Shellys Geist Dozent wie Studenten erscheint und Passagen von Frankenstein ins rechte Licht rückt. Auch die Analyse und unterschiedlichen Interpretationen des Romans fand ich hier noch ganz passend. Schnell aber hat mich das Eingreifen der Instanz aus der Geisterwelt gestört. Als würde hier die einzig richtige Sichtweise aufgezeigt. Auch die Ignoranz, die die Figuren der fantastischen Erscheinung zollten, machte die Erscheinung selbst schlicht unnötig. Meiner Meinung nach auf jeden Fall ein Zoll zu viel.

Der weltverbessernde Student ist zwar für den Ausgang der Geschichte unerlässlich, passt aber von Anfang an nicht ins Bild. Ein steter, unterschwelliger Kampf zwischen ihm und Peh verleiht der Geschichte zwar Spannung, lenkt aber auch vom so breit getretenen Theaterthema (im wissenschaftlichen Bereich) ab. Spätestens hier zeigt sich, dass ein paar Überlegungen weniger der Handlung gutgetan hätten.

Auch das perfide amouröse Spiel zwischen Peh und seiner Studentin haben nicht viel Mehrwert, sind eben lediglich Spiel, dafür aber ein sehr breit getretenes. Ob das wirklich sein muss, wage ich zu bezweifeln. Zumindest hätte auch dieser Teil etwas in den Hintergrund treten können, statt teilweise so im Mittelpunkt zu stehen.

Die verschiedenen Facetten bereichern zwar durchaus den Roman, machen ihn aber schnell zu voll, so dass der Leser spätestens nach dem dritten Akt überquillt und für das fulminante und geistreiche Ende kaum noch Kapazität hat. Das ist wirklich schade, denn mit wenigen Kürzungen hätte der Roman einer von den großen sein können. Klug, witzig, geistreich und gleichzeitig ernst. Vor allem der wissenschaftliche Teil, die langen sich drehenden Dialoge, die der Handlung im Weg stehen, hätten kürzer ausfallen müssen, um den Teilbereichen genug Raum zu lassen.

Ich empfehle das Buch darum gerade für Leser mit etwas wissenschaftlichem Hintergrund, Theaterliebhaber, Frankensteinenthusiasten. Das Ende, soviel noch, ist zumindest ausgefallen und ein gut gewählter Höhepunkt.

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