Er ist wieder da – Timur Vermes

Das Buch meiner Wahl für die Dezemberaufgabe ist dieses Mal Er ist wieder da von Timur Vermes, das ich beim Halloweenwichteln bekommen habe (vielen Dank nochmal!!). 400 Seiten dick ist der Roman, der bereits weite Wellen geschlagen hat – und nun kommt noch meine Meinung hinzu.
Er ist wieder da. Hitler erwacht 2011 in Berlin, unversehrt und ziemlich verwirrt, denn eben war er noch im Führerbunker. Nun ist er mittellos, arbeitslos, ahnungslos. Er zieht los und hat mehr Glück, als Verstand. Ein Kiosk-Verkäufer, der ihn ihm Kiosk übernachten lässt, macht ihn mit Mitarbeitern eines Fernsehsenders bekannt und ehe er sich versieht, ist Hitler wieder auf der Bühne und verbreitet die gleiche Propaganda, wie bereits vor achtzig Jahren – nur wird er diesmal nicht als Politiker, sondern als Komiker gefeiert. Niemand nimmt ihn so wirklich ernst, aber alle jubeln ihm zu. Dabei ist er entsetzt, vom Ausländeranteil, von der NPD, von der politischen Landschaft überhaupt. Er sagt, was er denkt, und alles wird als Satire aufgefasst, als Kritik am System und als Kritik am Nationalsozialismus. Wer hier wen nicht versteht oder verstehen will ist nicht immer klar zu sagen. Nur in einem sind sich alle einig: Das Thema Juden ist nicht witzig.
Der Roman ist großartig wie erschreckend. Wer meint, ein lustiges Büchlein über einen verwirrten Hitler zu bekommen, irrt. Wer meint, humoristische Satire vorgesetzt zu bekommen, die unterhalten will, irrt ebenso. Ein bisschen geht es dem Autor Timor Vermes wie der Hauptfigur in seinem Roman. Er sagt die Wahrheit und alle lachen darüber. Er zeigt auf, wie leicht es wäre, wieder das gleiche zu sagen und nicht ernst genommen zu werden – wie Hitler vor achtzig Jahren übrigens anfangs auch – um am Ende eine Partei zu gründen. Erschrecken ist, wie schnell die Menschen um den „Komiker“ Hitler bereit sind, nationalistische Parolen zu rufen, Handzeichen zu geben und „mitzuspielen“. Mitgespielt haben auch vor achtzig Jahren erschrecken viele. Und keinem im Buch fällt das auf – außer vielleicht Hitler selbst.
Er ist es auch, der sagt, was kaum ein Deutscher hören will: Nicht ein Mann hat damals das Land auf den falschen Weg gebracht, es war das gesamte Volk. Jeder, der mitgemacht hat, jeder, der zugeschaut hat, jeder, der nicht eingegriffen hat. Hart klingt es, wenn Hitler das ausgerechnet einer Frau sagt, deren jüdische Großmutter die gesamte Familie in der Gaskammer verloren hat. Hart, aber ehrlich.
Hitler als Hauptfigur zu positionieren ist dabei unglaublich mutig. Selbst, wenn er zum Komiker wird. Denn tatsächlich sind es nicht nur ähnliche Formulierungen, die er verwendet, sondern teilweise die gleichen wie auf Reden zu Zeiten des dritten Reichs. Wie schnell die Mehrheit der Menschen ihm folgt, er die Presse überzeugt und auf seine Seite zieht und selbst die jüdische Oma von seiner Harmlosigkeit überzeugen kann, ist ein furchtbares Bild, aber auch furchtbar glaubhaft. So war es immerhin schon einmal. So könnte es wieder sein. Eine Politik-Satire, die humoristisch ist, aber eigentlich nicht witzig. Und bei Gott, ich hoffe, dass niemals jemand in Berlin erscheint, der so einen Werdegang hinlegt und solche Pläne hat, denn er könnte es schaffen, fürchte ich.
Die Frage, ob wir über Hitler lachen dürfen, ist damit eigentlich vom Tisch. Im Buch lacht Deutschland über ihn und glaubt, mit ihm zu lachen. Sie folgen ihm, gerade die Jugend, die kaum noch persönlichen Bezug zum dritten Reich hat (ich klammere mich selbst da nicht aus) und das dringende Bedürfnis verspürt, damit abzuschließen – mit dem unabschließbaren Kapitel unserer Geschichte. Und wir selbst lachen schon längst über ihn. Über Christoph Maria Herbst, der sich im Wixxer als Führer anbietet. Selbst vor achtzig Jahren hat die Welt schon über ihn gelacht, als Charlie Chaplin den Diktator mimte. Nur: Jemanden auszulachen machen ihn nicht weniger gefährlich.
Darum finde ich das Buch verstörend wie großartig. Es zeichnet ein erschreckendes Bild unserer Realität, unseres Humors und der Suche nach einer Absolution von der Vergangenheit. Und es zeichnet diese Bild so eindrucksvoll, wohlüberlegt und durchdacht, dass es ein Sinnbild der Gesellschaftskritik wird, unserer heutigen wie der von vor achtzig Jahren. Es stimmt nachdenklich, begeistert und stößt gleichzeitig ab. Ein wirklich gutes Buch für alle, die gute Literatur mögen und dabei auch gerne ihren Kopf benutzten. Ein ernstes Buch, obgleich es Satire ist. Ein kritisches und nachwirkendes Buch. Nichts um sich zu berieseln zu lassen. Und meiner Oma würde ich das Buch nicht empfehlen. Sie wäre schockiert und betrübt, während ich hoffe, dass solche Bücher auch immer wenigstens eins paar Menschen aufrütteln und helfen, die Geschichte in ihrer Gänze nicht zu vergessen.

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