Dunkelherz von Sarah Nisse

Bei lovelybooks konnte ich mal wieder bei einer Leserunde mitmachen. Diesmal ging es um Sarah Nisses Dunkelherz, 355 Seiten, elektronisch und gedruckt zu bekommen.

Das menschliche Herz ist nicht etwa ein Organ, das regelmäßig Blut durch den Körper pumpt, es ist vielmehr eine Parallelwelt, bevölkert von Lebewesen, die den Menscheln erstaunlich ähneln, den Gefühlen, deren eigene Herzen aus Edelsteinen bestehen. In dieser Welt lebt Ava, Neugier, mit einem Herzen, das noch nicht erstrahlt ist. Der Druck, der dadurch auf dem Mädchen lastet, lässt sie immer waghalsigere Abenteuer unternehmen. Schließlich setzt sie sich in den Kopf, in den verbotenen Wald, den Neidwald zu gehen, den noch kein Gefühl lebend wieder verlassen hat. Auf ihrer Reise lernt sie Karim kennen und gerät in die Fänge von Raven, der ebenfalls in den Neidwald will, um einen mächtigen Edelstein zu stehlen, der ihn und den Hass zum Herrscher über das Herz machen würde. Ava muss verhindern, dass Raven siegt, selbst wenn sie dafür einen Teil ihres Selbst opfern muss.

Ich hatte vor allem mit der ersten Hälfte, ehe Ava in den Neidwald kommt, meine Probleme. Etwas unstrukturiert und schwach ist hier der Zugang zu den Figuren und dem Geschehen. Viele Nebenstränge werden aufgeführt und Minietappen geschaffen, die Ava vorantreiben sollen, die Handlung aber meiner Ansicht nach oft mehr entschleunigen, als vorantreiben. Die Distanz gerade zur Hauptfigur bleibt bestehen und das Mitfieber war für mich schwer.

Es wurde um einiges besser, als Ava in den Neidwald kommt und ihr persönliches Wunderland kennenlernt. Gerade hier kommen die Zwischenhandlungen zur Geltung, verleihen Ava mehr Persönlichkeit und schaffen Spannung. Die dazugekommene Dreiecksgeschichte zwischen Ava, Karim und dem Menschen Noel bringt zusätzlich Emotion ins Spiel. Noch dazu spinnt sich auch hier mehr und mehr die Geschichte von Raven zu einer ganz eigenen Tragik, die umso mehr Interesse weckt, als dass selbst bei eindeutigen Gefühlen die Eindeutigkeit eben nicht immer besticht.

Auch der Stil wächst mit der Seitenzahl. Wechseln am Anfang noch oft die Protagonisten der einzelnen Kapitel, was es mitunter schwer macht, der Geschichte zu folgen und ebenfalls die Distanz vergrößert, pendelt sich die Handlung noch im ersten Drittel bei Ava ein. Der Zugang zu den Figuren funktioniert mit mehr Handlung und mehr aufgedeckten Eigenschaften und Eigenheiten viel besser. Ziehen sich am Anfang noch Handlung und Beschreibung eher ermüdend, wird der Stil zur Mitte hin flott, geladen und gut zu lesen.

Die Verrücktheiten im Neidwald haben mich sehr an den reflexiven Charakter von Carols Wunderland erinnert, was durchaus positiv zu verstehen ist. Hier zeigen sich gleich mehrere Ebenen des Spiels um Schein und Sein, Verwirrung und Faszination. Rätsel werden aufgestellt, andere gelöst, neue Wege bestritten und immer wieder pflastern überraschende Wendungen den Weg der Protagonistin. Dieser Teil ist absolut gelungen und wert zu lesen.

Zugegeben etwas verwirrend ist die Darstellung des menschlichen Herzens, der Gefühle, die darin leben und deren eigener Herzen. So ist die Gefühlszugehörigkeit keinesfalls absolut, sondern Kompromisse hinsichtlich der natürlichen Empfindungen werden durchaus als alltäglich dargestellt. Dass die Figuren sich selbst auch als Gefühle bezeichnen und zusätzlich ganz eigene Gefühle haben, erschwert hier den Zugang.

Alles in allem ist die Idee hoch interessant, die Handlung nach einem schweren Start fesselnd und gelungen. Für alle, die fantastische und neue Welten lieben und das Durchhaltevermögen haben, die Einführung lang durchzuhalten, eine Idee wert.

 

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