Die Weiße Rose – Miriam Gebhard

Noch im April beendet habe ich Miriam Gebhards Die Weiße Rose – wie aus ganz normalen Deutschen Widerstandskämpfer wurden. 368 Seiten hat das Sachbuch der bekannten Sachbuchautorin, erschienen im April 2017 bei DVA. Danke an den Verlag und das Bloggerportal für mein Rezensionsexemplar.

Die Weiße Rose ist ein Begriff, der aus der deutschen Geschichte nicht mehr wegzudenken ist. Der Mythos dieser Widerstandsgruppe, die mit Flugblättern das Grauen der nationalsozialistischen Herrschaft aufzudecken versuchte, und gleichzeitig andere zum Mitmachen animieren wollten, ist enorm. Zentral dabei die Geschwister Scholl und vor allem Sophie Scholl. Straße, Schulen, Denkmäler wurden benannt. Erst kürzlich hat der Film über die letzten Tage von Sophie Scholl diesen Mythos weiter befeuert. Dabei war die Weiße Rose weit mehr.

Viele Wege

Miriam Gebhard setzt früh an. Sie versucht die unterschiedlichen Theorien zum Grund für den Widerstand aufzuarbeiten. Dabei trifft sie auf ganz unterschiedliche Gründe bei den einzelnen Mitgliedern. So unterschiedlich sind die Vorgeschichten der Münchener Widerstandsgruppe, so vielseitig die Hintergründe. So zeigt das Buch, dass ein gemeinsamer Grund ebenso unglaubwürdig ist, wie ein gemeinsames Ziel. Die Münchener Gruppe wollte viele verschiedene Dinge. Sie waren sich allein darin einig, dass die nationalsozialistische Regierung weg musste.

Ich fand es unheimlich spannend, tiefer in diese Materie einzudringen. Dass Miriam Gebhard zu Beginn die Mitglieder der Gruppe einzeln fokussiert, fand ich sehr gut. So wurde nicht nur die unterschiedliche Position der Akteure klar. Gleichzeitig wurden auch Sophie und Hans Scholl eingeordnet, von dem Podest gehoben, das im gleichen Rahmen auch erklärt wurde. Dieser Blick erzeugte eine gewisse Nähe. Und auch der weitere Verlauf, die Geschichten hinter den Flugblättern, war so interessanter und konnte sehr gut verfolgt werden.

Kein Mythos

Das Buch ist deshalb so gut, weil es relativiert, Unstimmigkeiten in dem bisherigen Mythos um die Weiße Rose aufzeigt und dann entmythologisiert. Wie aus ganz normalen Deutschen Widerstandskämpfer wurde heißt auch diese „Normalität“ zu zeigen. Die Verbindungen und Abgrenzungen zum Nazi-Regime. Die individuellen Beweggründe und Verläufe. Das große Problem der Aufklärung um die Münchener Gruppe, da gerade die ersten Berichte maßgeblich von der Schwester von Hans und Sophie geleistet wurden. Es ist, was es sein soll. Ein Sachbuch, das nicht wertet. Eines, dann zugibt, wenn es an seine Grenzen kommt.

Entmythologisiert und bleibt ehrlich: Miriam Gebhards Die Weiße Rose

An die Grenzen kommt es beispielsweise auch, wenn es um den Tag der Verhaftung von Hans und Sophie geht. Weil niemand weiß, warum die beiden sich nicht an das bisherige, sicherere Prozedere hielten, weil niemand weiß, warum sie nicht weggelaufen sind, weil so viele Dinge danach unklar werden. Die Befragungsberichte beispielsweise seien, so das Buch, erst nachträglich aufgeschrieben worden. Verfälschungen also, Unklarheiten, Mutmaßungen und Berichte aus dritter Hand.

Ein ehrliches Buch

Dieses Buch hat die Größe, die Weiße Rose zu betrachten, ohne einen Märtyrermythos zu erzeugen. Großartig schafft es Tiefe und Nähe, ohne zu werten. Die Lücken, die es gibt, zeigt Die Weiße Rose auf und gibt Probleme bei der Historizität zu. Es ist ein ehrliches Buch, das mag ich sehr. Eines, das fesselt, das eine ganz eigene Spannung erzeugt. Eines, das wirklich Geschichte vermittelt, Hintergründe, Argumentationen. Und eines, das nicht bei den Mitgliedern der Münchener Gruppe aufhört. Es verrät auch etwas über die Gegner, den Richter, den Beamten beim Verhört, den Scharfrichter. Dadurch entsteht ein rundes Bild. Lesenswert.

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2 Kommentare

  1. Hallo und guten Tag,
    ein Grund alleine reicht ohne nie…um sich wirklich voll einer Sache hinzugeben oder?
    So sehe ich das auch im Bezug auf Widerstand egal welcher Art und Weise auch immer…
    LG…Karin…

    1. Ich glaube, das ist sehr unterschiedlich. Hier geht es beispielsweise um Bildung, Kirche, Elternhaus, … Und das es eben nicht „die“ gemeinsame Komponente gibt.

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