Die Geschichte des Regens – Niall Williams

Ein ganz besonderes Buch konnte ich bei einer Leserunde von Lovelybooks ergattern. Die Geschichte des Regens von Niall Williams ist mit 416 Seiten noch im letzten Jahr bei DVA erschienen.

Ruth ist 19 und leidet an einer schweren Krankheit, der die Mediziner nicht auf die Schliche kommen. Während sie in ihrem Zimmer liegt und auf das Ende wartet, liest sie sich durch die Bücher ihres Vaters, schreibt einen eigenen Roman und sucht zwischen den Zeilen nach ihrer Familie, ihrer Geschichte, ihrer Vergangenheit, in der sie ein Stück weit auch ihre Zukunft vermutet.

Ruth ist keine einfache Erzählerin. Sie ist unzuverlässig, in hohem Maße. Nicht nur, dass sie immer wieder springt und ihren roten Faden verwinkelt spannt, sie vermutet auch viel, denkt sich die Begebenheiten aus dem Leben ihres Großvaters zusammen und dichtet auch an der Geschichte ihres Vaters herum. Ob sie bei sich selbst bei der Wahrheit bleibt ist da nur Vermutung.

Außerdem ist sie besserwisserisch und zickig. Sie will kein Blatt vor den Mund nehmen und keine Mühe darauf verschwenden, es anderen Recht zu machen. Etwas, was sie fast schon wieder zu einem liebenswerten Charakter macht. Sie weiß, dass sie nicht wirklich in die Welt passt, in ihre Umgebung und ihr Leben. Dass sie zu viel gelesen hat, eine Sonderstellung innehat, die sie so oder so nicht verlassen kann.

Dieser Sonderstellung folgt sie nach, wenn sie die Geschichte ihres Großvaters und später die ihres Vaters hervorholt, zusammendichtet und darin ihre eigene angelegt sieht. Sonderlinge, allesamt, nicht wirklich in der Welt verhaftet und immer nur auf dem Sprung zu irgendetwas anderem. Ein leiser Wahnsinn der mitschwingt und nicht erst erkennbar wird, wenn der Großvater im Lachs einen Gott vermutet. Denn gleichzeitig arbeitet da auch er strikte Perfektionismus derer mit, die nie mit sich selbst zufrieden sein können. Das analysiert Ruth geradezu, um ihren Frieden zu finden.

Das Buch besticht durch kurze Witze, einen kühlen Sarkasmus und darunter verwoben die Geschichten von großem Leid und der stetigen Suche nach etwas, das dem Leben Sinn gibt. Schicksalsschläge neben immenser Hoffnung, Glück neben unerklärlichem Pech. Und immer wieder wirft Ruth andere Bücher ein, die sie aus dem Fundus ihres Vaters gelesen hat. Verweist darauf, zieht daraus, sagt dadurch mehr, als ihre eigenen Worte es können.

Die Geschichte des Regens ist im Grunde kein lineares Buch. Es hat verschiedene Zeitebenen, Handlungen und Stränge, die nicht immer zu einem Ende kommen. Das mag diejenigen stören, die hier eine Selbstfindungsgeschichte mit Ende erwarten. Die Geschichte des Regens ist aber eine Geschichte vom Selbstsuchen. Vom Suchen darüber hinaus. Denn Regen ist im Grunde wie der Fluss endlos. Er wandelt seine Form, mehr nicht. So wandelt sich auch die Form des Erzählens mal so, mal so. Mal gibt es dicke Platscher und dann tröpfelt es nur. Ein Literaturschauspiel, ohne Frage.

Sehr interessant und aus literaturwissenschaftlicher Sicht groß. Vielleicht aber auch deswegen nicht für jedes Bücherregal geeignet. Mir persönlich hat Die Geschichte des Regens sehr gut gefallen, ein ungewöhnlicher, toller Stil, der hier und da mal ins pseudowissenschaftliche abgeleitet, an anderer Stelle mystisch wird und so unbeständig wie die Handlung und der Regen selbst. Es passt für mich zusammen.

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2 Kommentare

  1. Huhu,

    also beginnt Ruth hier für sich ihre Familie in ein, neues anders Licht zu bringen oder?

    LG..Karin..

    1. Nicht unbedingt. Für sie verändert sich nichts an der Geschichte. Es geht ihr um den Leser, das Mitteilen, das Festhalten ihrer Geschichte.

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