Der Tag, an dem Mama die Krise kriegte von Nathalie Weidenfeld

Eine absolute Neuerscheinung, die heute auf den Markt kommt, die ich mir bei meiner Mama-Literaturforschung nicht entgehen lassen wollte ist Der Tag, an dem Mama die Krise kriegte von Nathalie Weidenfeld, bei Knaus mit 144 Seiten erschienen.

Der Tag, an dem Mama die Krise kriegteProtagonistin ist Leonie, sechsjährige Tochter, große Schwester, Erstklässlerin, eine wie alle. Und eben nicht. Denn Leonie kann vor dem Schulstart lesen, spielt Klavier, spricht Fremdsprachen. Leonie ist ein Kind der höheren Bildung. Darum nimmt der Leser ihr den Spagat zwischen tiefen Überlegungen und kindlichen Ansichten schnell ab, schmunzelt hier und da, lässt sich in diesen vom Erwachsenen für kindlich gehaltenen Blick auf die Welt hineinziehen.

In dem Büchlein gesammelt sind kleine Episoden, die Leonie beeinflussen, ihren Alltag prägen. Etwa, wenn die Oma aus Frankreich zu besucht ist, die Mutter plötzlich noch ein Brüderchen im Bauch hat, der verhasste Italienurlaub zum Paradies wird. Zwischen Alltag und Besonderheit pendeln diese Geschichten, wie Leonie zwischen der Stimme einer erwachsenen Autorin und kindlichen Erzählerin. Das ist interessant, lustig zu lesen und tatsächlich aus der kindlichen Sicht frei von Klischees.

Mit Leonie als Erzählerin fallen manche Punkte der typischen Mama-Literatur einfach weg. Ihr Blick auf ihre Eltern und die Umwelt ist (noch) nicht dem gesellschaftlichen Druck, was eine Mutter alles zu leisten hat, unterworfen. Leonies Mama arbeitet an der Uni (wie die Autorin – was für ein Zufall), arbeitet viel, liebt ihre Kinder trotzdem, kann nicht basteln, lässt die Kinder Klavier spielen, aber bringt sie nicht rechtzeitig ins Bett, schreit manchmal, ist genervt, gegen Zucker, für soziale Kontakte. Sie ist ein ganz normaler Mensch und trotzdem Leonies Mama.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Die Sprache ist in dieser herrlichen Mischung aus eloquentem Stil und kindlichen Bildern gemacht, die auf einer seltenen Ebene amüsiert, fesselt und die Welt in einem anderen Licht erstrahlen lässt. Mit ihrer wunderbaren Naivität und ihren  felsenfesten Überzeugungen ist Leonie ein herrlicher Charakter, der, ihrem Alter geschuldet, wandelbar ist, lernt, sich entwickelt, wie es ein guter Charakter auch soll. Und auch ihre Umwelt entwickelt sich. Ja, selbst ihre Mutter lernt noch dazu.

Mitunter wird durch diese kindliche Blume auch das ein oder andere ernste Thema angesprochen. Demenz, Fortpflanzung, Gesellschaft, Beziehungen, Psyche. Für all das ist Platz und nichts ist zu viel. Der frische Humor, der durch die Seiten weht, gepaart mit dem etwas hohen Intellekt einer Sechsjährigen, das fand ich erfrischend, lustig, aber nicht auf eine zwanghafte Art. Vielmehr auf eine Art, wie sie das Leben schreibt.

Wer mit einem Kind lachen kann, das vielleicht nicht immer nur Kind ist, der sollte zugreifen. Ich kann Der Tag, an dem Mama die Krise kriegte wärmstens empfehlen. Absolut kein Mama-Buch, sondern ein Lebens-Buch. Herrlich, kindisch, chaotisch, schlau.

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3 Kommentare

  1. Hallo Eva-Maria,

    hm, zur Zeit hast Du es aber mit solchen Büchern oder?

    LG..Karin..

    1. Liebe Karin,
      Wie ich hier schon geschrieben habe, forsche ich als Literaturwissenschaftlerin zum Thema Mutterfigur in der Literatur. Ich werde also noch länger „solche“ Bücher lesen, die die Mutterfigur (auch) zum Thema haben. Aber nicht nur. Etwa die nächsten zehn werden ganz anders sein.
      Lg

      1. Na dann…schauen wir mal..augenzwickern…

        LG..Karin…

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