Der Araber von morgen – Riad Sattouf

Aus dem Knaus Verlag hat mich die Graphik Novell Der Araber von morgen vom Zeichner und Autor Riad Sattouf erreicht, der sich als Thema seine eigene Kindheit im Nahen Osten genommen hat.
Mit dem Kennenlernen der Eltern fing alles an. Der Vater des kleinen Riad studiert in Frankreich, verliebt sich, heiratet und Riad wird geboren. Mit blonden Locken begeisterte er die Erwachsenen. Doch dann will der Vater zurück in den Nahen Osten und folgt dem Ruf der Männer, die heute vom arabischen Frühling entmachtet wurden, bzw. noch um ihre Macht kämpfen. In Libyen und später auch seiner alten Heimat Syrien hofft Riads Vater auf ein Heim und eine Zukunft, ist begeistert und hat einen Plan vor Augen. Dass der nicht wirklich zum Erfolg führt, das ahnt Riad schon als kleines Kind, steht dem aber genauso hilflos gegenüber, wie scheinbar die Mutter, die dem Mann artig folgt.
Dass das Buch nicht zu 100 Prozent Riad Sattoufs Vergangenheit wiedergibt, ist klar. Erinnerung ist geschönt, gezeichnet, verwaschen. Die Eindrücke eines vierjährigen unterscheiden sich stark von denen eines Erwachsenen. Doch gerade hier greift das Buch. Zwischen kindlicher Sicht der Dinge, fernem Rückblick und harter Realität erschaffen die Zeichnungen eine zweite Welt neben dem Text, Ironie und die Lüge der Worte wird sichtbar. Etwa wie sehr Riad unter den arabischen Kindern, zu denen er doch eigentlich auch gehört, auffällt, nur wegen der blonden Haare.
Dass Riads Vater nicht davon abzuhalten ist, in seiner Heimat Fuß fassen zu wollen, und sich dabei immer wieder nach den landestypischen Gepflogenheiten richtet, ist aus unserer heutigen Sicht ebenso lächerlich, wie eben der Rückzug der Mutter, die „oft müde“ ist und sich später mit dem kleinen Bruder oft ins Bett verzieht. Kein Aufbegehren, nur das stumme Abwarten, ob der Mann nicht doch noch nach Frankreich zurück will. Oder die Begeisterung für die Diktatoren, die auch und gerade vor dem gebildeten Vater nicht Halt machen.
Für Riad wird die Zeit im Nahen Osten immer wieder zur Tortur. Beschimpft und verspottet, fehl am Platz, wird er bedroht und fürchtet sich vor seinem ersten Schultag so sehr, dass er krank wird. Da, ein einziges Mal, tritt die Mutter in den Vordergrund, nachdem sie gesehen hat, was die Kinder auf der Straße mit einem Welpen machen. „Hunde gelten als unrein“ gibt das Buch als Info. Und gleichzeitig erhebt Der Araber von morgen keine Anklage. Es sind vielmehr viele kleine Andeutungen, die keinesfalls nur als schwarz und weiß zu denken sind. Denn Riad passt auch in Frankreich nicht wirklich dazu. Wird im Kindergarten als hochbegabt entdeckt und wieder fallen gelassen, als er beginnt, sich anzupassen. Doch Anpassung ist, was alle von ihm wollen.
Passend dazu die Zeichnungen, deren Farbschema sich ändert. Klar dabei, die eher bedrohlichen Farben sind für Libyen und Syrien reserviert, die kurze Zeit in Frankreich dagegen geradezu beruhigend in blau gefasst. Und auch die Konturen der Figuren sind wesentlich kantiger und grotesker, sobald Riad auf seine arabische Verwandtschaft trifft.
Ungemein spannend fand ich diesen Blick und bin noch mehr gespannt, wie es weitergeht. Vielleicht gerade, weil es so realistisch wie kindlich verklärt ist, mit der erwachsenen Denkweise im Hintergrund. Eine Mischung, die wie das Aufeinandertreffen der Kulturen selbst wirkt und mehr als nur einen Spiegel hochhält.

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